Wenn Sie sich vorstellen, in einem Flugzeug zu sitzen, fliegt es dann geradeaus
oder senkrecht aufwärts? Grüßen Sie die Flugbegleiterinnen und anderen Fluggäste
freundlich, oder sitzen Sie still und interpretieren den ganzen Flug nicht als eine
soziale Situation, sondern als einen unbequemen, weil kondensiert praktischen
Zeitabschnitt, der Ihnen nichts weiter bescheren wird, als Sie lediglich ans Ziel
zu bringen? Und wenn Sie freundlich sein müssten?
Advertitis. Ich möchte nicht klingen, als wäre ich ein Abschiedsredner, deshalb
lasse ich das Latein weg. Was es bedeutet, also wirklich bedeutet, ist so oder so
unwichtig. Was es ist: Eine Krankheit. Stellen Sie sich vor, Sie seien ein Plakat.
Eine an einer Hauswand angebrachte Werbetafel, und jetzt schreien Sie den lieben
langen Tag eine wahnsinnig bedeutungslose Botschaft in die Welt, die im Prinzip
niemanden interessiert und wenn, dann überhaupt nur unbewusst aufgenommen wird.
Stellen Sie sich jetzt vor, wir alle wären Werbetafeln. Jetzt haben Sie die Welt
begriffen.
Was macht jemand, der in einem Flugzeug sitzt, weil ihm jemand weggestorben ist,
mit dem er niemals wieder sprechen wollte? Grüßt der die anderen Fluggäste nett? Oder
ist ihm die ganze Konvention egal, er will nur ankommen auf diesem Hamburger
Flughafen, von dem er vor Jahren (zugegeben: im Streit, aber doch entschlossen)
gestartet ist und an den er niemals zurück kam? Niemals mehr ein Wort und so weiter.
Schätzungsweise dürfte diese Person viel eher mit sich selbst reden wollen als mit
anderen, sofern sie überhaupt begreift, was da gerade los ist.
Advertitis. Wir sind viele, wir sind ein Orchester, das sich dereinst, vor drei
Jahren, einen einigermaßen blöden Namen gegeben hat. Unnütze Schrauben, das sind
solche, denen man aus Wut, Eile oder Tollpatschigkeit mit einem ganz und gar
feindlichen Aufsatz so rüde zu Leibe gerückt ist, dass sie sich jetzt weder vor
noch zurück bewegen lassen, und das Regal, das immerhin an ihnen hängt, jetzt
verdammen, für immer und ewig an diesem Platz zu bleiben. Noch so eine Metapher!
Die Wahrheit ist: Wir sind nichts Außergewöhnliches. Eher ein Bisschen besonders.
Wir fliegen ja nicht mit. Das muss er wohl alleine hinter sich bringen, das
ganze Kondensieren, Sublimieren, Zerfasern, Zerdenken, Erinnern, Vergessen, Bereuen,
Behaupten und so weiter, wir können da nicht helfen. Wir können höchstens abbilden.
Wir könnten ihm höchstens Worte in den Mund legen. Wenn er etwas zu uns zu sagen
hätte, würde er sagen: „Ich habe etwas vor, es beinhaltet einen Flug, eine ganze
Reihe desorientierender Momente, eine Landung, eine gehabte Erkenntnis, und eine
weitere, sofort nach dem Erkennen wieder abgesägte weitere, zur ersten völlig
diametrale Erkenntnis. Das klingt fürchterlich anstrengend, wahrscheinlich wird es
das auch. Also. Wenn ihr nichts dagegen habt: Könntet ihr vielleicht für eine
knappe Stunde ich sein? Wenn ihr schon so viele seid.“